newsroom.at, 3.12.2012
In der Woche, in der die "Financial Times Deutschland" zum letzten Mal erscheint, bietet der Wiener Philosoph Robert Harsieber eine simple Anleitung zum Mediensuizid, die so erschreckend ist, dass sie auch Realität werden könnte. Achtung, Medienmanager, hier kommt etwas für Sie!
Wien - Wenn Medien sich nicht mehr gegenseitig, sondern selbst umbringen wollen, dann stehen dafür einige Strategien zur Verfügung, findet der Philosoph und Journalist Robert Harsieber, der für NEWSROOM die sieben Varianten zum garantierten Mediensuizid notiert hat.
1. Innovation: Man erfinde Neues wie z.B. die Gratiszeitung. Also Zeitungen, für die die Journalisten gratis arbeiten dürfen – einfach genial. Die müssen auch von etwas leben und arbeiten als Taxifahrer, Putzfrau, Kellnerin oder Hausmeister (nicht nur in ORF-lichen Unterhaltungssendungen) – da ist ihrer Kreativität keine Grenze gesetzt – und schreiben in der Mittagspause, wenn die Kreativität notgedrungen längst draußen ist, was Österreich Heute liest. Kein Wunder, dass viele das nicht einmal geschenkt haben/lesen wollen.
2. Nischenprodukte: Etwa im Bereich Medizin bieten sich für jeden Fachbereich (sofern Inseratenträchtig) sogenannte Nischenprodukte an. Sind Ärztezeitungen und –zeitschriften schon an sich mangels Käufer dazu verurteilt, sich gänzlich durch Inserate finanzieren zu lassen, machen einschlägige Nischenprodukte aus der Not eine Tugend. Die Nische definiert sich als ein Fachgebiet, für das es Medikamente gibt, die intensiv beworben werden (müssen). Die Finanzierung ergibt sich damit von selbst, der Text auch. Für letzteren braucht es dann keine Journalisten, da genügen Studienabgänger aus Medizin, Pharmazie oder sonst einem naturwissenschaftlichen Fach, sie müssen ja nur verstehen, was die Inserenten wollen.
Robert Harsieber.
3. Rationalisierungen: In Zeiten der Wirtschaftskrise muss gespart werden. Wo kann ein Medienhaus sparen? Natürlich an den Journalisten. Der Chefredakteur ist noch angestellt – ein bisschen Nostalgie muss sein – alle anderen arbeiten frei. Journalismus ist kein geregelter Beruf, jede/r kann sich Journalist/in nennen, und entsprechend viele tun es. Angesichts des „guten“ Rufes des Journalistenstandes ist das eigentlich merkwürdig, aber es ist so. Die Medienhäuser können daher aus dem Vollen schöpfen, wenn eine/r nicht entspricht, stehen andere schon Schlange. Die Freiheit bezieht sich darauf, dass sie jederzeit unvermittelt freigesetzt werden können. Die Freiheit der Verlage besteht darin, dass sie sich die Billigsten aussuchen können. Das Honorar – sofern es sich nicht um unbezahlte Praktika handelt – geht gegen Aufwandsentschädigung, wer noch recherchieren will, muss das aus der eigenen Tasche bezahlen.
4. Billig produzieren lassen: Auch Markenstrategie verlangt Marktstrategie. Wie die großen Modemarken bereits alle in Fernost von Sklaven billig produzieren lassen, so lassen auch die großen Verlagshäuser bereits billig produzieren – sie brauchen dazu nicht einmal nach China gehen. Die Alteingesessenen haben gelernt zu schreiben, was die Herausgeber und die Inserenten wollen – die Leser werden nicht gefragt, die haben das Junk-Food zu konsumieren – und die neuen müssen Praktika absolvieren, für die sie wenig oder nichts bekommen, nur um einen Fuß drinnen zu haben.
5. Forenpolitik: In der guten alten Zeit wurden die Leserbriefe veröffentlicht, die zu Gesicht standen oder die man selbst geschrieben hat. In den heutigen Online-Ausgaben der Medien gibt es dafür die „Foren“. Da kann jeder seinen Senf dazu geben. Aber bitte nicht unter dem eigenen Namen, da müsste man ja zu dem stehen, was man da absondert. Unter phantasievollen „Nicknames“ kann man die Sau rauslassen und jedes „Qualitätsmedium“ auf Krone-Niveau heben. Die toben sich dann aus, als wären sie von H.C. Strache bezahlt.
6. Entwicklungen linear fortsetzen: In den Printmedien wurden die Texte immer kürzer, die Bilder immer größer. Es geht nur mehr um illustrierte Überschriften, bestenfalls Vorspänne, alles andere ist Füllwerk. Mag sein, aber das geht im Internet viel besser. In den gedruckten Medien können Journalisten bestenfalls für den Tag schreiben, im Internet, in den Online-Medien nahezu für die Minute, die durch das Zwitschern sogar noch unterboten wird. Und im Internet ist jeder sein eigener Journalist. Journalismus, der sich diesem Trend anpasst, braucht keine Strategie des Suizids mehr, der ist schon tot.
7. Boulevardisierung des Qualitätsjournalismus: Wenn der Boulevard mit Dummheiten, Halb- und Unwahrheiten, Sensationen und Seitenblicken großartige Geschäfte macht, dann kann der „Qualitätsjournalismus“ doch auch wenigstens hin und wieder mitnaschen. Das hebt zumindest kurzfristig Auflage und Quote. Der gewünschte Absturz ist dann nicht mehr aufzuhalten. Und ist der Ruf einmal ruiniert, … Qualitätsjournalismus darf sich nicht rechnen, und als Mittelmaß tut er das auch nicht. Dass das Gegenteil von Qualitätsjournalismus eine Goldgrube ist, beweisen die Kleinformate seit jeher. Warum nicht die jahrzehntelange Gehirnwäsche durch diese Medien nützen?
Robert Harsieber
newsroom.at, 3.12.2012